Carribean Nighthawk

Kuba war eines der ersten Länder, das die herkömmliche Glühlampe verbannte. Das Verbot ging so weit, dass von der Regierung beauftragte Männer in die Wohnungen der Kubaner eindrangen, alle noch vorhandenen Glühlampen aus den Fassungen schraubten, mit einem Baseballschläger in einem Eimer zerstampften und durch sogenannte Energiesparlampen ersetzten. Kubas Präsident Fidel Castro hatte im Jahr 2006 die „Revolución Energética“ ausgerufen, in deren Verlauf auch alte Kühlschränke ausgetauscht, Ventilatoren und andere ineffiziente Haushaltsgeräte entfernt und durch neuere ersetzt wurden. In Havanna befindet sich folgerichtig die weltweit erste Straße, die ausschließlich durch LEDs beleuchtet wurde – ein von China gesponserter Testlauf, um die Alltagstauglichkeit der damals noch neuen Leuchtmittel zu erproben. 

Der überwiegende Teil der Stadt wurde im Jahr 2009, als ich dort war, um für einen Dokumentarfilm zu drehen, aber immer noch von alten, orangefarbenen Natriumdampflampen beleuchtet. Viele Gassen lagen völlig im Dunkel und nur das kalte Licht, das aus den wegen der schwülen Hitze offenen Türen der Wohnungen auf die Straße fiel, gab mir Orientierung. Irgendwann kam ich an einer Bar vorbei, die zu später Stunde von nur einem einzigen Gast besucht war. Sie hieß Las Alegrías, was sich in etwa mit Die Freuden übersetzen lässt. Ich fotografierte sie im Vorbeigehen.

Das Foto symbolisiert mit seinem harten Farbkontrast zwischen Gasentladungs- und Leuchtstofflicht für mich nicht nur Castros unbarmherzigen Kampf gegen Energieverschwendung, sondern erinnert mich auch an eine karibische Version von Edward Hoppers berühmten Nighthawks.

Hopper hatte seine Arbeit an dem Gemälde wenige Tage nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 begonnen. Während die in seinem Gemälde dargestellte innere Leere und Sprachlosigkeit der Protagonisten durch bewusstes Abstrahieren der Fassaden und des Interieurs der Bar, sowie die Simplifizierung der Strukturen und Oberflächen unterstrichen werden, ist die in Havanna vorzufindende, tatsächliche Leere in den Regalen der Läden eine direkte Folge des im Jahre 1960 von Dwight D. Eisenhower gegen das kommunistische Kuba verhängten, heute noch geltenden (und in Form des Cuban Democracy Act Gesetz gewordenen) Embargos - der Ost-West-Konflikt hatte damals gerade an Fahrt aufgenommen.

Heute ist der Kalte Krieg Geschichte. Die Einfachheit und die Leere in vielen Kubanischen Lokalen und Restaurants können also auch als letzte Überreste einer internationalen Auseinandersetzung, die die USA in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg gegen die Staaten des Ostblocks führten, interpretiert werden. Diese Auseinandersetzung begann nach Ansicht mancher Historiker mit dem Eintritt Amerikas in den Zweiten Weltkrieg am 8. Dezember 1941 - kurz bevor Hopper anfing seine Nighthawks zu malen.

Nighthawks, Edward Hopper

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